Samstag, 26. August 2023

Interview mit einem Tuk Tuk-Fahrer: 13 Fragen an Bora (🇩🇪/🇬🇧)

 ***English version below***

 2020 reiste ich zum ersten Mal nach Kambodscha und schon lange stand der Besuch von Angkor Wat in Siem Reap auf meiner Bucketlist. Ich recherchierte in diversen Facebook-Reisegruppen und stieß dort auf die Empfehlung einer Reisenden, mich mit Bora Pheng - einem Einheimischen- in Verbindung zu setzen. Bora ist Tuk Tuk Fahrer in Siem Reap. Wir schrieben über Facebook und verstanden uns auf Anhieb sehr gut.


Während meines Aufenthaltes in Siem Reap kümmerte er sich um alles was ich besichtigen und erleben wollte und bei der Abreise nach einigen Tagen fiel der Abschied schwer. Kurz darauf brach die Pandemie aus und Kambodscha schloss wie alle Länder seine Grenzen. Bora und ich blieben weiterhin in Kontakt und über die Jahre entstand eine Freundschaft zu ihm und seiner Familie. Dadurch bekam ich während der ganzen Zeit mit, wie schwer diese Zeit für Menschen war, die nicht in einem Sozialstaat wie Deutschland leben und wir sprachen sehr oft über die existenziellen Probleme, die Corona für Familien wie die von Bora mit sich brachte.

Heute möchte ich meinem Freund diesen Blogartikel widmen, um ihn zum einen dabei zu unterstützen, sein Business weiterzuentwickeln aber auch um Reisenden einen Einblick in das alltägliche Leben eines Tuk Tuk-Fahrers zu geben. 

1. Hallo Bora, du lebst und arbeitest in Siem Reap - was gefällt dir besonders gut an deiner Heimatstadt?

Bora: In meiner Stadt gibt es viele Touristen und es können Orte wie Angkor Wat, Klöster und die ländliche Gegend mit ihrer schönen Landschaft besucht werden. Auch der Straßenverkehr ist nicht so schlimm wie in anderen Städten.

2. Wie lange arbeitest du schon im Tourismus und wie kam es zu der Entscheidung Tuk Tuk-Fahrer zu werden?

Bora: Ich habe 2008 als Tuk Tuk-Fahrer angefangen und mache das jetzt seit 15 Jahren. Ich entschied mich dazu, weil es zu der Zeit sehr schwer war, bezahlte Arbeit zu finden. Ich hatte davor einen Job als Page in einem Hotel, da bekam ich ein Gehalt von 2,60$ pro Tag und musste dafür von Montag bis Samstag, jeweils 10 Stunden am Tag arbeiten.

3. Was ist das Beste an deinem Job und was ist das Schwierigste?

Bora: Das Beste an meinem Job als Tuk Tuk-Fahrer ist, dass ich Menschen aus verschiedenen Ländern der Welt kennenlerne, wir etwas voneinander lernen und über Essen, Kultur, Sprache und Geschichte sprechen können. Schwierig ist es immer dann, wenn es keine Touristen gibt. In Kambodscha gibt es zwei Reisezeiten für Touristen: die Nebensaison und die Hochsaison. Die Nebensaison ist von Mai bis November und die Hochsaison von Dezember bis April.

4. Hattest du andere Berufswünsche als du jünger warst?

Bora: Ja, als ich jung war hatte ich den Traum, lizensierter, englischsprachiger Reiseführer zu werden aber aus Bildungsgründen war das nicht möglich. Damals, als ich jung war, gab es für mich nicht genug Möglichkeiten in der Schule zu lernen und aufgrund des Bürgerkriegs hatten viele Menschen keine guten Chancen auf ein Studium. Ich wurde 1984 geboren, also noch im Bürgerkrieg und erhielt meine schulische Ausbildung als Mönch von 2001-2003, aber im Mönchsleben und der dazugehörigen Schule gibt es keine Zertifikate, keine reguläre Grundschule, kein Gymnasium und keine weiterführende Schule. Man ist dort nur um zu lesen und den anderen Mönchen zuzuhören.

[Anm. von mir: die Klosterschulen bieten eine Art Grundbildung im Lesen, Schreiben und Rechnen. Es ist kostenlos und die Kinder können in der Zeit im Kloster leben. Auch heute noch schicken insbesondere die ärmeren Familien ihre Kinder für einige Jahre dorthin um ihnen wenigstens ein bisschen was zu ermöglichen.]

5. Wie hast du die COVID-19-Pandemie mit deiner Familie erlebt? Wie war die Situation in Kambodscha und Siem Reap?

Bora: Es war sehr schwer für mich und meine Familie, weil ich meinen Job verloren habe. Kein Tourist reiste mehr nach Kambodscha. Siem Reap war abgesperrt, so dass niemand mehr kommen konnte.

[Anm. von mir: Tuk Tuk Services werden von Einheimischen selber kaum in Anspruch genommen. Bleiben die Touristen aus, gibt es für einen Fahrer keine Kunden und keine Arbeit mehr.]

6. Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?

Bora: Ich stehe um 5:30 Uhr morgens auf und koche das Frühstück für meine Kinder und meine Fra. Um 7:00 Uhr fahre ich mit dem Tuk Tuk ca. 20 km bis Siem Reap City um dort meinem Job nachzugehen. Ich parke mein Tuk Tuk an der Straße und spreche viele Touristen an, die an der Straßenecke vorbeigehen. Manchmal laufen die Geschäfte gut und manchmal sehr schlecht. Normalerweise komme ich um 17:00 Uhr nach hause, aber manchmal habe ich Kunden, die den Sonnenuntergang an einem bestimmten Ort beobachten möchten, dann komme ich sehr spät nach hause.

7. Erinnerst du dich an einen besonders schönen Moment aus deinem Arbeitsalltag?

Bora: Ich erinnere mich immer daran, wie ich "meine Touristen" zum ersten Mal getroffen habe, besonders die die viele Orte mit mir besucht haben und länger in der Stadt blieben, weil man sich dann jeden Tag getroffen hat und zusammen gegessen und getrunken hat. So wie ich dich und Heyka treffe. Diese Menschen vergesse ich nie.

8. Du bringst Menschen aus der ganzen Welt nach Angkor Wat und Angkor Thom. Was ist dort dein persönlicher Lieblingstempel und warum?

Bora: Mein Lieblingstempel ist der Bayon-Tempel, denn es ist ein buddhistischer Tempel und damit der Vertreter meiner Religion - des Buddhismus

[Anm. von mir: Und dazu ist der Bayon-Tempel auch noch außergewöhnlich schön und mit den meterhohen Gesichtern Buddhas ein absolutes Meisterwerk.]

9. Was macht deiner Meinung nach den "besonderen Zauber" von Angkor Wat aus, der Menschen aus aller Welt anzieht? 

Bora: Weil meiner Meinung nach, Angkor Wat eines der größten Meisterwerke in Asien ist und vielleicht der ganzen Welt. Es wurde von bloßer Hand gebaut, aus Sandstein und ist sehr alt. Und allein die Architektur...

10. Du hast dein ganzes Leben in Kambodscha verbracht. Gibt es Orte auf der Welt, die du gern besuchen würdest wenn es möglich wäre?

Bora: Ich würde gerne in die Nachbarländer Thailand und Singapur reisen und wenn es möglich wäre, würde ich auch gerne Europa (Deutschland) und die USA besuchen.

11. Du hast einen Youtube-Kanal (Original Khmer food), wo wir dir beim Kochen traditioneller Khmer-Gerichte zusehen können. Wo hast du kochen gelernt, oder hast du es dir selber beigebracht?

Bora: Ich habe das Kochen in der Schule gelernt, als uns etwas über das Gastgewerbe beigebracht wurde. Und es ist auch nicht schwer, Khmer-Gerichte zu kochen, da die Rezepte sehr einfach sind. Ich lerne auch viel von meiner Frau und meiner Schwiegermutter. Das ist ein ganz typisches und traditionelles Khmer-Lernen: von Person zu Person

12. Deine Familie besteht aus 4 Personen. Was esst ihr zuhause am liebsten?

Bora: Unser täglicher Favorit ist Hühnersuppe

13. Letzte Frage: Was wünschst du dir für die Zukunft?

Bora: Ich wünsche mir Reiseleiter zu sein und eine gute Bezahlung. Ich möchte auch vielen Kindern und Studenten in meinem Dorf helfen, ich kann ihnen Geschichte und Englisch beibringen.

Ich danke Bora für dieses ehrliche Interview. Es ist nicht leicht via Facebook über bestimmte Dinge zu sprechen, da Kambodschas Regierung im Verdacht steht, private Chatverläufe mitzulesen. Sich kritisch über die Regierung zu äußern ist strafbar! Dazu gehören z.B. auch kritische Äußerungen über den Umgang mit der Pandemie. Deswegen habe ich dieses Thema im Interwiev nur sehr kurz angesprochen.

Wenn ihr auch eine Reise nach Kambodscha, bzw. Siem Reap plant, hier findet ihr alle Kontaktdaten von Bora, er wird euch sehr gerne helfen.

Facebook: https://www.facebook.com/bora.pheng.54

English version:

*we aren't native english speakers, so please patient with us ;)

I traveled to Cambodia in 2020 for the first time and visiting Angkor Wat in Siem Reap had been on my bucket list for a long time. I was looking for information in several travel groups on Facebook and came across to a traveler's recommendation to get in touch with Bora Pheng - a local tuk tuk driver in Siem Reap. We wrote some PN on Facebook and we got along well right away.

During my stay in Siem Reap he took care of everything I wanted to see and experience and when I left after a few days it was difficult to say goodbye. Shortly thereafter, the pandemic broke out and Cambodia, like all countries, closed its borders. Bora and I stayed in touch and over the years we became friends. As a result, I noticed all the time how difficult this time was for people who do not live in a welfare state like Germany, and we talked very often about the existential problems that Corona brought with it for families like Bora's.


Today I would like to dedicate this blog article to my friend to help him develop his business but also to give travelers an insight into the everyday life of a tuk tuk driver.

1. Hello Bora, you live and work in Siem Reap - what do you like about your city? 

Bora: There are many tourists in my city and places like Angkor Wat, monasteries and the countryside with beautiful scenery can be visited. The traffic is not bad.

2. How long have you been working in tourism and how did you decide to become a tuktuk driver? 

Bora: I started as a tuk tuk driver in 2008 and have been doing it for 15 years now. I decided to do this because it was very difficult to find paid work at the time. Before that, I had a job as a bellboy in a hotel where I was paid $2.60 a day and had to work 10 hours a day, Monday through Saturday.

3. What is the best thing about your job and what is the most difficult thing? 

Bora: The best thing about my job as a tuk tuk driver is that I get to meet people from different countries around the world, we can learn from each other and talk about food, culture, language and history. It's always difficult when there are no tourists. There are two tourist seasons in Cambodia: the low season and the high season. The low season is from May to November and the high season from December to April.

4. Did you have any other career aspirations when you were younger? 

Bora: Yes, when I was young I had a dream to become a licensed english speaking tour guide but due to educational reasons it wasn't possible. Back when I was young, there weren't enough opportunities for me to study at school and because of the civil war, many people didn't have good opportunities to study. I was born in 1984, so still during the civil war and received my school education as a monk from 2001-2003, but in monastic life and the associated school there are no certificates, no regular primary school, no high school and no secondary school. One is only there to read and listen to the other monks.

[note from me: the monastery schools are offering a kind of basic education in reading, writing and arithmetic. It's free and the children can live in the monastery during the time. Even today, families send their children there for a few years, to give them at least a little something of education.]

5. How was the Covid-19 pandemic for you and your family? How was the situation in Cambodia and Siem Reap? 

Bora: It was very difficult for me and my family because I lost my job. No tourist traveled to Cambodia anymore. Siem Reap was in Lockdown so no one could come.

[note from me: Tuk Tuk services are hardly used by the locals themselves. If there are no tourists, there are no more customers and no work for a driver.]

6. What does a typical working day look like for you? 

Bora: I get up at 5:30 in the morning and cook breakfast for my children and my wife. At 7:00 a.m. I take the Tuk Tuk about 20 km to Siem Reap City to do my job there. I park my tuk tuk on the street and speak to many tourists who are walking by the street corner. Sometimes business is good and sometimes it is bad. I usually come home at 5:00 p.m., but sometimes I have clients who want to watch the sunset at a certain place, then I come home very late.

7. Do you remember a particularly nice moment from your everyday work? Something you will never forget? 

Bora: I always remember how I met "my tourists" for the first time, especially those who visited many places with me and stayed longer in the city because then we met every day and ate and drank together. Just like meeting you and Heyka. I will never forget these people.

8. You bring people from all over the world to Angkor Wat and Angkor Thom. What is your personal favorite temple there? And why? 

Bora: My favorite temple is the Bayon Temple because it is a Buddhist temple and therefore the representative of my religion - Buddhism

[note from me: And last but not least the Bayon Temple is also extraordinarily beautiful and with the meter-high Buddha faces an absolute masterpiece.]

9. What is - in your opinion - the "special magic" of Angkor Wat that attracts people from all over the world? 

Bora: Because in my opinion, Angkor Wat is one of the greatest masterpieces in Asia and maybe in the whole world. It was built by bare hands, of sandstone, and is very old. And the architecture alone...

10. You have spent your whole life in Cambodia. Are there places in the world that you would like to visit yourself if it were possible? 

Bora: I would like to travel to the neighbour countries Thailand and Singapore and if possible I would also like to visit Europe (Germany) and the United States.

11. At your youtube-channel (Original Khmer food) we can watch you cooking traditional Khmer food. Who taught you to cook or did you learn it by yourself? 

Bora: I learned to cook at school when we were taught about hospitality. And it is also not difficult to cook Khmer dishes, since the recipes are very simple. I also learn a lot from my wife and mother-in-law. This is very typical and traditional Khmer learning: person to person

12. Your family consists of 4 people. What is everyone's favorite food? 

Bora: Our everyday favorite is chicken soup.

13. Last question: What do you wish for the future?

Bora: I wish to be a tour guide and get paid well. I also want to help many children and students in my village, I can teach them history and English.

I thank Bora for this honest interview. It's not easy to talk about certain things on Facebook, as Cambodia's government is suspected of reading private chat histories. It is a punishable offense to speak critically about the government! This includes, for example, critical statements about how the pandemic is being dealt with. That's why I only touched on this topic very briefly in this interview.

If you are also planning a trip to Cambodia or Siem Reap, here you will find all of Bora's contact details, he will be happy to help you.

Facebook: https://www.facebook.com/bora.pheng.54



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