Sonntag, 10. März 2024

Kompliziert einfach: eine Reise nach China vorbereiten



Nach vielen Jahren Reisen in und durch Asien, war China bis heute für mich die große Unbekannte - das Land über das ich praktisch nichts weiß, der Ort den ich mir (noch) nicht zutraue, der aber eine große Faszination auf mich ausübt.
Irgendwann würde es mich dorthin verschlagen, soviel war klar, aber ich wusste nicht wie und auch nicht wohin. Das Land ist gigantisch groß und irgendwo würde man anfangen müssen. Peking, Shanghai, Hongkong...die großen Metropolen wären natürlich einfach, da touristisch einigermaßen erschlossen - und mit touristisch meine ich in dem Fall, auf die westliche Kultur eingestellt.

Zu einfach.

Wenn schon, denn schon.

Die Wahl fiel auf Chengdu.

Ebenfalls eine Millionenmetropole, aber in den Südwesten des Landes, nahe des tibetanischen Hochlands, verschlägt es westliche Reisende nicht ganz so oft. Eines vorweg: ich habe mich noch auf keinem Ort der Welt so sehr wie eine Kuriosität gefühlt wie in Chengdu. Aber auf eine positive Art und Weise. Hatte ich eine Ahnung was mich erwarten würde? Nein, absolut nicht.

Die Vorbereitung:

Die Recherche im Vorfeld gestaltete sich als knifflig. So viele Informationen und Blogs es über südostasiatische Länder online zu finden gibt, so wenige gibt es über China. Ein Land welches sich mehr oder minder gegen den Rest der Welt abschottet, das wurde schnell klar. Ich musste mich also auf die große Unbekannte einlassen, mit der Hand voll Infos die ich finden und erfragen konnte.

Eine Hürde hat sich bezüglich China zum Glück aktuell erledigt: seit dem 1. Dezember 2023 können deutsche Staatsangehörige für Aufenthalte bis zu 15 Tagen für geschäftliche und touristische Reisen, sowie für Besuchsreisen und zum Transit ohne Visum in die Volksrepublik China einreisen (Offizielle Info).

Die wichtigste Frage vorweg aber war, wie komme ich an mobiles Internet? China umgibt sich mit einer Firewall, die Anwendungen und Seiten wie WhatsApp, Facebook, Instagram, sämtliche Googledienste und das Meiste andere auch blockiert. Die Chinesen haben für alles ihr eigenes Pendant (das chinesische WhatsApp heißt z.B. WeChat. Mehr zu den Apps die ihr benötigt, weiter unten) und ohne VPN-Client auf dem Telefon oder Laptop ist man aufgeschmissen. Da sich ebenfalls die Frage stellte, wie ich überhaupt im Roaming online gehen kann, bot sich eine Kombination aus E-SIM mit integriertem VPN-Zugang an. Ich habe von Deutschland aus einige Anbieter verglichen und mich für die E-SIM von Holafly entschieden (5 Tage zu 20€), da sie das beste Preis-Leistungs-Verhältnis hatte und sehr gute Bewertungen.

Dann hatte ich also nur noch eine Unterkunft zu buchen, was problemlos über Booking.com möglich war und mehr konnte ich dann auch schon nicht mehr machen. Eine Sache die ich in Chengdu unbedingt machen wollte, war die Panda-Aufzuchtstation zu besuchen. Die Tickets muss man vorab buchen, weil es keine Tageskasse gibt. Dies ist online aber nur über WeChat möglich und dafür benötigt man eine chinesische Handynummer, die ich natürlich nicht besitze.
Also habe ich kurzerhand meine Unterkunft über Booking angeschrieben und die Lage geschildert; die haben dann netterweise für den gewünschten Tag das Ticket für mich gebucht - und das obwohl ich noch gar nicht vor Ort war, mein Zimmer noch nicht bezahlt und mich in keinster Weise ausgewiesen und verifiziert hatte.
Das ist etwas was ich generell an Asien sehr schätze, dass man eigentlich nur nett fragen muss und dann findet jemand eine Lösung und hilft. So etwas wie "Dienst nach Vorschrift", wie wir es aus Deutschland kennen, gibt es so gut wie gar nicht und ich habe immer die Erfahrung gemacht, dass alles irgendwie möglich gemacht wird; wenn auch manchmal auf dem unkonventionellen Weg.

Trust the proces.

Geld wechsle ich übrigens niemals vorab in Deutschland, egal in welches Land ich reise. Der Kurs ist immer schlechter wenn ihr das bei eurer Hausbank macht. Ich fahre ganz gut mit einer Kombination aus Euro in bar sowie Debitkarte und Reisekreditkarte von der DKB (Wenn ihr eure Karte über diesen Link beantragt, erhalten wir beide jeweils eine Prämie von 15€). Geld abheben hat in China mit der Kreditkarte auch einwandfrei funktioniert; das Bargeld ist immer nur Backup, ich wechsel es nur wenn ich z.B. für den letzten Tag noch eine Kleinigkeit brauche oder wenn kein Geldautomat in der Nähe ist.

Eine Besonderheit in China ist, dass fast alles bargeldlos abläuft. Es können selbst Kleinstbeträge an Straßenständen mit Apps bezahlt werden, was von den Einheimischen auch sehr genutzt wird .ich hatte erst so meine Bedenken, kam aber recht schnell in die Situation, dass ich ebenfalls damit bezahlen musste. Es gibt eine Vielzahl von Apps für diesen Zweck und für Ausländer ist Alipay die Beste, da sie einfach auf englisch zu bedienen ist und deutsche Kreditkarten und sogar Debitkarten hinterlegt werden können. Der Bezahlvorgang läuft dann über Scannen eines eigens erzeugten Barcodes oder QR-Codes ab oder durch Scannen des Codes des jeweiligen Händlers. Die Leute wissen aber wie das geht und zeigen es einem in der App zur Not auch.
Aber keine Sorge, es wird auch nahezu überall Bargeld angenommen, wenn man sich damit sicherer fühlt.

Mobilität:

Ich habe widersprüchliche Angaben dazu gefunden ob es Ausländer*innen in China gestattet ist ein Auto zu mieten und damit herumzufahren. Das und die Tatsache, dass ich mir das Fahren in einer chinesischen Metropole ohnehin nicht zutraue, führten dazu dass ich mir über Mobilität vor Ort Gedanken machen musste. In Chengdu ist das Metrosystem sehr gut ausgebaut und außerhalb der Städte fahren Highspeed-Trains. Beides ist schnell und sehr günstig. Zugtickets können am Bahnhof direkt oder vorab über Trip.com gebucht werden.
In Chengdu selbst würde ich das Meiste zu Fuß erledigen, da ich finde, dass man so am meisten von einer Stadt sieht - sofern man nicht lauffaul ist. Auch Taxi fahren ist sehr günstig in China; hier gibt es nur ein kleines Problem: sich an den Straßenrand stellen und winken funktioniert in Chengdu nur außerhalb der Rush Hour und selbst dann wird man im schlimmsten Fall sehr lange stehen und winken müssen bis ein Taxi anhält. Grund sind hierfür auch wieder die Apps, in dem Fall DIDI, das chinesische UBER, mit dem die Einheimischen ihre Taxis bestellen. Ein freies und nicht vorab gebuchtes Taxi zu finden ist also schwer und wenn man einen Zeitplan hat, weil man z.B. pünktlich zum Flughafen möchte, sollte man es lieber nicht drauf ankommen lassen. DIDI ist für ausländische Konten nicht nutzbar; ich habe um zur außerhalb gelegenen Pandastation fahren zu können, mein Hostel gebeten, die Fahrt für mich zu ordern und die haben das dann über ihren privaten DIDI-Account gemacht und erstmal vorab bezahlt. das Geld habe ich ihnen dann später bar gegeben. Auch hier galt also wieder: in Asien ist nichts unmöglich.
Später habe ich dann herausgefunden, dass Alipay DIDI als Mini-App inkludiert hat und ich darüber auch selbst ein Taxi hätte bestellen können.
In Chengdu ist zudem Radfahren eine große Sache, was mich total überrascht hat. Ich habe noch nie so viele Mietfahrräder bereitstehen sehen und gefühlt ist die ganze Stadt am radeln. Wie ich erfuhr wurden in der Innenstadt vor einiger Zeit benzinbetriebene Roller verboten, so dass die Einheimischen auf E-Roller und Fahrräder umsteigen mussten. Das ist nicht nur aus Umweltschutzgründen ziemlich gut, es hat auch dazu geführt, dass die Innenstadt sehr leise ist für eine Metropole und die Luft wirklich gut. Auch viele Autos - wenn nicht sogar die Meisten- sind dort im E-Betrieb unterwegs. Ebenfalls etwas was mich sehr überrascht hat, kennt man China im Westen ja nur als Umweltsünder und "Dreckschleuder" des Planeten. Aber dies zeigt einmal mehr, wie wenig wir bei uns über dieses Land wissen und wie viele unserer Annahmen über China vielleicht schon lange nicht mehr der Realität entsprechen. 

Verständigung:

Ich konnte im Vorfeld in Erfahrung bringen, dass es in China mit Englisch schwierig werden kann - selbst in einer Großstand wie Chengdu. Englisch wird maximal von der jungen Bevölkerung gesprochen und das auch nicht flächendecken d und mehr schlecht als recht. Auch musste ich davon ausgehen, dass Schrift nicht unbedingt in englischer Übersetzung ausgewiesen sein wird und genau so war es dann auch. In meinem Hostel sprach ein Großteil vom Staff recht gutes Englisch, so das die Verständigung kein Problem war, aber außerhalb meiner Unterkunft? Niemand. Wirklich niemand. Englische Übersetzung auf Speisekarten? Nope. 
Meine Rettung waren der Google Translator und Google Lense zur Übersetzung der chinesischen Schriftzeichen. Darüber hinaus hilft oft nur drauf zeigen, ein fragendes Gesicht und ein paar Gesten mache :klappt auch immer und meist sind die Leute froh, dass man es einfach irgendwie versucht.

Was die Situation definitiv erschwert hat war die Tatsache, dass ständig irgendjemand mit mir sprechen wollte. Als große, blonde Europäerin bin ich in China dermaßen aufgefallen und die Menschen waren super neugierig und mehrmals am Tag wurde ich auf offener Straße gestoppt und angesprochen oder um ein gemeinsames Foto gebeten. Auf chinesisch. Die Englischkenntnisse beschränkten sich i.d.R auf "Where are you from?" und "Here for work?". Das war natürlich etwas schade, weil der Wille zum Austausch bei den Chinesen auf jeden Fall da war, aber die Sprachbarriere einen wirklich guten Kontakt verhindert hat.
Aber auch das war etwas womit ich nicht gerechnet hätte. Im Kopf hatte ich ein Bild von einem zurückhaltenden, misstrauischen bis abweisenden Volk gegenüber Westlern. Aber das war überhaupt nicht der Fall - ganz im Gegenteil sogar. Die Menschen sind sehr offen und neugierig auf mich zugegangen und haben aktiv den Kontakt gesucht. Das hat mir sehr gut gefallen

Mein Fazit:

Mit etwas Vorbereitung ist China relativ einfach zu bereisen, dennoch muss man sich auf einen gewissen Abenteuerfaktor einstellen und darauf, dass viele Dinge einfach anders funktionieren als in Deutschland. Eine gewisse Technikaffinität ist ebenfalls hilfreich, weil man mit den Apps vor Ort deutlich besser zurechtkommt, wenn man weiß wie und wo man sie zielführend einsetzen kann.
Man darf auch keine Berührungsängste und Scheu vor Kontakten haben, da die Einheimischen wirklich sehr neugierig auf Europäer*innen reagieren, einen direkt ansprechen aber mindestens sehr unverhohlen anstarren und oft auch ungefragt fotografieren. Man kann das ignorieren, wenn es einem unangenehm ist aber ich habe festgestellt, dass wenn man den Blickkontakt erwidert, die Wahrscheinlichkeit dass die Person anhält und ein Gespräch anfängt bei nahezu 100% liegt :-D 
Die Sprachbarriere erschwert einiges, ist aber dank Translator-App nicht unmöglich zu überwinden.

Ich habe mich in China sehr sicher und willkommen gefühlt, auch als alleinreisende Frau; das reiht sich nahtlos an alle meine bisherigen Erfahrung mit Solo-Reisen in asiatische Ländern ein. ich habe die Asiat*innen immer als sehr respektvoll und gastfreundlich erlebt und als sehr verständnisvoll im Umgang mit ausländischen Tourist*innen und der Tatsache dass diese nicht ganz vertraut mit den hiesigen Gepflogenheiten sind.

Nützliche Apps & Dienste:

  • Holafly (E-Sim Anbieter)
  • Google Translator
  • Google Lense
  • Alipay
  • Trip.com (nutze ich inzwischen auch für Hotels & Flüge in Asien)